Die besonderen Belastungen der letzten Monate haben Konsequenzen. Viele können nicht mehr, fühlen sich ausgebrannt. Oder, wie eine Kundin dieser Tage sagte: „Ich fühle fast keine Energie mehr und werde ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.

In diesem Supervisionsimpuls geht es um das Thema Burnout, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Corona Situation.

Bitte nicht mehr das C-Wort …

Ja, wir alle können das Wort nicht mehr hören. Dennoch dreht sich fast jedes Gespräch irgendwann darum, weil es uns alle auf irgendeine Art beschäftigt.

Andererseits: Welcher Begriff würde besser ausdrücken, wovon viele berichten? Frustriert zu sein, sich überarbeitet, erschöpft und müde zu fühlen, nichts zu haben, auf das man sich freuen könnte, ruhelos oder gereizt zu sein, oder das alles bei anderen zu beobachten.

Interessanterweise bin ich bei der Recherche für diesen Beitrag auf eine Aktion der Klinik Heiligenfeld in Bad Kissingen aus dem letzten Herbst gestoßen, mit genau diesem Titel: Corona-Burnout. Die Klinik ist weithin bekannt für ihre ganzheitliche stationäre Psychotherapie bei Burnout und Depression und hat sich bereits im letzten Herbst darauf vorbereitet, dass vermutlich viele von der Pandemie Betroffene entsprechende Hilfe benötigen werden.

Das alles spricht daher dafür, das Thema genau so zu benennen. Das macht unmittelbar klar, was gemeint ist: Burnout in und durch diese besondere Corona-Zeit.

Die Supervisorin und Unternehmermentorin Lioba Heinzler und ich sprechen darüber, was genau Burnout ist, wie es sich zeigt und wie Resilienzfähigkeiten uns helfen, bei diesem Marathon nicht auf der Strecke zu bleiben.

Es geht darum:

  • Dass Burnout keine Alibi-Diagnose für depressive Manager ist, sondern ein eigenständiges Krankheitsbild,
  • In welchen Stadien Burnout verläuft,
  • welche Faktoren eine Burnout Entwicklung fördern,
  • welche Faktoren in der jetzigen Zeit eine besondere Rolle spielen,
  • wie Resilienz-Fähigkeiten dich vor Burnout schützen können,
  • was du tun kannst, wenn es bereits „fünf vor zwölf“ ist.

Du liest lieber? – Dann hier die Zusammenfassung.

Burnout – Stadien und Zeichen

Burnout ist ein schon seit den siebziger Jahren bekanntes und gut erforschtes Phänomen und eine Krankheitsdiagnose.

Burnoutphänomene haben immer mit einem Missverhältnis zwischen Ansprüchen und inneren und äußeren Anforderungen auf der einen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen auf der anderen Seite zu tun. 

Burnout: Zuerst Feuer und Flamme und dann ausgebrannt.

Burnout entsteht nicht plötzlich, sondern baut sich langsam auf.

Es ist ein oft längerer und schleichender Prozess. Es werden fünf, manchmal auch zwölf Stadien unterschieden.

Am Anfang stehen große Begeisterung, starker Einsatz und hohes Engagement. Man steckt sich hohe Ziele, ist auch bereit, öfter mal über die eigenen Bedürfnisse hinweg zu gehen, um sie zu erreichen. Wenn der gewünschte Erfolg nicht eintritt, stellen sich Frustration und Unzufriedenheit ein, und das Gefühl auf der Stelle zu treten. Manche versuchen das zunächst mit noch höherem Einsatz zu kompensieren.

Auf weitere Frustrationserlebnisse folgt weitere Unzufriedenheit. Man beginnt, das Engagement zu reduzieren. Irgendwann kommt es zu einem innerlichen und äußerlichen Rückzug, der seinerseits Entfremdungsgefühle von sich selbst und auch von anderen nach sich zieht.

Das Gefühl der Sinnlosigkeit macht sich breit. Alles kostet viel Energie.

Irgendwann stellen sich dann körperliche Symptome ein: Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, Tinnitus, manchmal auch kleinere und größere Unfälle. Typisch ist auch übermäßiger Konsum von Alkohol oder anderen Suchtmitteln.

Dann ist es schon vor fünf vor zwölf!

Burnout – Am Ende steht immer vollkommene Erschöpfung.

Typisch ist, dass kurz vor dem Zusammenbruch die Betroffenen noch alles wegarbeiten, den Schreibtisch aufräumen und das Büro abschließen. Dann legen sie sich ins Bett, und dann geht zunächst gar nichts mehr. Große Leere, „ausgeknockt“, seelisch und körperlich am Ende.

Bei Untersuchungen lässt sich oft feststellen, dass in diesem Zustand sämtliche Mineral-und Vitalstoffspeicher im Organismus ausgeleert sind, weil der Körper quasi schon lange „auf Batterie“ gelaufen ist.

Es gab eine Zeit lang die These, dass Burnout eigentlich nur eine verkleidete Depression sei und gar kein eigenständiges Krankheitsbild. Oder, dass Burnout eigentlich eine Depression von Managern sei, die dafür einen sozial akzeptierten Titel bräuchten, sozusagen eine “Edel-Depression“. Das ist aber widerlegt, weil sich die Symptome doch eindeutig von der klassischen Depression unterscheiden lassen, auch wenn es Überschneidungen gibt.

Interessanterweise gibt es mehr Burnoutphänomene bei Führungskräften auf der mittleren Managementebene, als bei denjenigen auf Geschäftsführung- oder Vorstandsebene. Das hat vermutlich mit den größeren Gestaltungs- und Freiheitsräumen zu tun. Burnout geschieht nicht allein durch viel Arbeit oder Stress, sondern durch die Kombination aus großem Stress und dem Gefühl, die Dinge nicht beeinflussen zu können.

Bestimmte Faktoren können Burnout-Entwicklungen unterstützen.

Persönlichkeit

  • Eine Neigung zu Perfektionismus,
  • hohe Ansprüche an sich selbst,
  • großes Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung,
  • eine Tendenz die eigenen Bedürfnisse zu übergehen,
  • das Gefühl die Situation nicht beeinflussen zu können.

Oft sind es Menschen mit hohen Idealen oder einer „brennenden“ Mission, die ins Burnout rutschen, weil sie für die Erreichung ihrer Mission ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen nicht beachten.

Äußere Faktoren

  • Lang andauernder Stress,
  • große Belastungen,
  • hoher Zeit und Termindruck,
  • mangelnde Mitspracherechte und Kommunikation im Unternehmen. 
  • „Sandwich-Rolle“ im Unternehmen.

Burnout Faktoren derzeit.

Auch schon vor Corona waren viele Menschen durch die Beschleunigungs- und Wettbewerbsgesellschaft ständig an einer Überlastungsgrenze. Dazugekommen ist jetzt, dass seit dem Beginn der Corona Pandemie viele Menschen ganz unterschiedlich begründeten Angst-Stress haben. Sei es die Sorge um die eigene Gesundheit oder die der Angehörigen, seine Existenzängste oder die Angst vor einem Verlust der Persönlichkeitsrechte. Und niemand kann sagen, wann wieder Sicherheit besteht oder das Ganze endet. Alles zusammen verursacht eine latente Dauerspannung, die viel Energie kostet.

Aufgaben, Aufgaben, Aufgaben

In den Unternehmen, Betrieben und Organisationen gibt es derzeit tatsächlich überdurchschnittlich viel zu tun. Zu dem normalen Tagesgeschäft, dem ständigen Umorientieren und Neuplanen, kommen viele corona-bedingte  Verordnungen und Auflagen, deren zügige Konzeptualisieren und Umsetzung kontrolliert wird. (z. B. gibt es jetzt neu die „Psychische Gefährdungsbeurteilung  durch Corona“ im Betrieb)

Digitalisierung

Dazu kommt der Digitalisierungsschub. Viele sind jetzt gefordert, sich Dinge anzueignen, die sie sich vielleicht von selbst gar nicht unbedingt aneignen wollten. Die Unternehmen müssen entsprechende Strukturen und Prozesse etablieren. Mitarbeitenden müssen ausgebildet, ausgestattet und motiviert werden.

Selbstständigkeit

Druck gibt es auch bei den Selbstständigen. Entweder existenziellen Stress, weil das Geschäftsmodell zur Zeit nicht funktioniert oder ganz in Frage steht. Oder Stress durch sehr viele Aufträge, weil das eigene Produkt gerade sehr gebraucht wird. Selbstständige freuen sich natürlich, wenn sie gut zu tun haben, und möchten die Aufträge gern bedienen. Das kann zur Zeit schnell mal eine 60 Stundenwoche bedeuten.

Das Home-Office ist eine eigene Belastung für sich, weil es viel schwerer ist, zwischen Arbeit und Leben zu trennen, und weil die Tendenz, sich zu überarbeiten, viel größer ist.

Die Lockdown Situation führt dazu, dass vieles nicht stattfindet, das uns normalerweise den Arbeitstag ganz von selbst unterbricht und die Freizeit einläutet: Sport, andere Menschen treffen, Verabredungen, ein gemütlicher Einkauf. Jetzt sind vielleicht die Abende oder die Wochenenden nicht so gefüllt wie sonst. Die Tage im Winter sind kurz und dunkel. Diejenigen, die lange To-do-Listen vor sich her schieben, neigen dann dazu, die Zeit dafür zu nutzen, die Aufgaben zu erledigen. Es ist ja gut, wenn wieder etwas abgehakt ist ….

Der Sog, immer weiter zu machen ist groß, und es ist wichtig, all dem bewusst etwas entgegenzusetzen.

Corona-BurnoutWie du dich schützen kannst

Resilienzfähigkeiten entdecken und entwickeln

Resilienz heißt so viel wie Widerstandskraft gegenüber Lebenskrisen, Krankheiten und Belastungen. Wir haben zum einen eine mitgegebene, angeborene Resilienz, die wir manchmal erst wieder entdecken müssen. Zum anderen können wir Resilienz aber auch erlernen und immer weiterentwickeln.

Resilienz entwickelt sich dadurch, dass wir Krisen meistern.

Die 5 Säulen der Identität (nach Hilarion Petzold)

Ein hilfreiches Modell für die Beschäftigung mit der eigenen Resilienz sind die Fünf Säulen der Identität aus der Gestalt Therapie.

Für eine gutes Gleichgewicht im Leben sollten diese fünf Bereiche oder „Säulen“ ausbalanciert sein:

Schütze dich vor dem Corona Burnout mit den fünf Säulen der Identität
5 Säulen der Identität

1 Körper und Gesundheit

Deine körperliche und psychische Gesundheit, Wohlsein oder Unwohlsein, körperliche Signale.

2 Soziales Netz

Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen. Menschen, die dir wichtig sind. Sind es Beziehungen, in denen du entspannt „sein“  kannst, ohne Zweck und Rolle, wo du dich wohl fühlst und geschätzt wirst?

3 Werte, Sinn und Spiritualität 

Was ist dir wichtig? Wofür investierst du Zeit und Geld? Wie handelst du, wenn keiner zuschaut? Reflektierst du ab und zu grundsätzliche Lebensfragen?  Was sind deine persönlichen Werte, Normen und Visionen, deine Glaubens- und Sinn-Fragen? Was ist dein Warum?

3 Arbeit und Leistungsfähigkeit

Dein Tätig-Sein, dein Schaffen. Wo kannst du deine eigenen Fähigkeiten und Stärken einbringen? Wo bekommst du Anerkennung und Erfolgserlebnisse?

4 Materielle Sicherheit 

Deine finanzielle Absicherung, dein Lebensstandard. Wie viel Geld benötigst du überhaupt, um dich wohl zu fühlen? Hast du es? Wie blickst du mit dieser Perspektive in die Zukunft?

Wie das Modell dir helfen kann

Vom Ansatz her sollten alle fünf Säulen stabil sein und und nicht allzu große Schwachstellen haben. Eine komplette Ausgeglichenheit gibt es aber nicht. Es kann immer passieren, dass einzelne Säulen geschwächt werden. Unfälle, Krankheiten, Trennungen, Arbeitslosigkeit oder schwierige Konflikte können Risse in unseren Säulen verursachen.

Wenn eine Säule gerade ein bisschen bröckelt, hilft es, wenn die anderen Säulen möglichst stabil und stark sind.  Dann sind wir für Belastungssituation und stressige Phasen gut gerüstet. 

Manchmal ist uns gar nicht bewusst, wie viele Ressourcen in einem Lebensbereich liegen, den wir gerade nicht so im Blick haben.

Du kannst das Modell zur Reflexion nehmen, um inne zu halten, dir an einem ruhigen Tag etwas Zeit zu nehmen und über dich nachzudenken:

  • Welche dieser Säulen hat welche Bedeutung in meinem Leben?
  • Was tue ich selbst für die einzelnen Bereiche?
  • Was tue ich dafür, dass mir Bereiche nicht aus dem Blick geraten? 
  • Wo fehlt mir etwas?

Innehalten und sich Zeit für die Fragen des Leben nehmen

Solchen Fragen nachzugehen, erlauben wir uns oft nicht im hektischen Treiben des Alltags. Corona konfrontiert uns auch mit den Themen Endlichkeit und Vergänglichkeit und führt uns sehr deutlich vor Augen, dass wir nicht über alles die Kontrolle haben.

Gegen diese Themen ständig innerlich anzugehen weil sie unangenehm sind oder Angst machen, kostet Energie. Sich einmal Zeit zu nehmen, vielleicht mithilfe des Fünf-Säulen-Modells, und darüber nachzudenken, gibt diesen Themen Raum, und führt interessanterweise oft genau dazu, dass wir uns wieder lebendig fühlen. Und das ist das, was im Moment am meisten hilft.

Achtsamkeit und Selbst-Fürsorge

Achtsam und selbstfürsorglich zu leben ist ein wirksames Gegen-Mittel, weil Burnout viel damit zu tun hat, immer wieder die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu übergehen.

Achtsam zu sein unterstützt unsere Fähigkeit, inneren Abstand und Raum zu schaffen und verhindert, dass wir immer weiter im Hamsterrad bis in die Erschöpfung laufen. 

Da hinein gehört auch die Erlaubnis, die Dinge unperfekt zu tun.

Weniger ist tatsächlich meist mehr!

Schütze dich vor dem Corona Burnou. Baue Resilienz auf
Resilienz

Erstelle dir heute einen Notfallplan.

Lege für dich selbst fest, was du tun möchtest, wenn du merkst, du bist gleich „drüber“. Es kann sein, dass du unkonzentriert bist, dich festgebissen hast an einer Aufgabe und nicht aufhören kannst, dass du dich innerlich unruhig fühlst, verspannt, du vielleicht schon die Nacht schlecht geschlafen hast und auch der Kaffee nicht mehr hilft.

Was möchtest du dir für diesen Fall selbst „verordnen???

Empfehlung:

Schreibe es auf. Lege zum Beispiel fest: Wenn … dann ich schreibe noch die letzte E-Mail zu Ende, klappe alles zu, schalte alles aus und mache eine Pause, mache einen Spaziergang, treffe mich oder telefoniere mit einer Freundin, nehme ein Bad, was auch immer für dich das Richtige ist

Dieser Zettel sollte gut sichtbar am Kühlschrank hängen oder an einem anderen Ort, wo du häufig hinschaust. Allein die innere Vorbereitung führt dazu, dass du achtsamer wirst, dass du es früher spürst, und auch eher umsetzt.

Und wenn es schon „vier vor zwölf“ ist?

Hast du beim Lesen gedacht: „Das betrifft ja auch mich …“?

Hast du Schlafstörungen, nimmst du seit einiger Zeit mehr Alkohol oder andere Suchtmittel zu dir, als dir gut tut?

Merkst du, dass du dich mehr zurückziehst, weil dir alles zu viel ist?

Fühlst du dich fremd?

Dann ist es sehr ratsam, dass du dir Unterstützung holst. Vielleicht sprichst mit einem Menschen deines Vertrauens darüber, oder du wendest dich direkt an entsprechende Beratungsstellen, an einen Therapeuten oder Arzt.

Falls du jemanden kennst, auf denen diese Dinge zutreffen, frage einfach einmal liebevoll und fürsorglich nach. Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um die Situation zu verändern.

Schütze dich vor dem Corona-Burnout – Resümee

  • Burn out war auch schon vor Corona ein verbreitetes Phänomen.
  • Die Anspannungen durch die Pandemie kommen noch oben drauf. 
  • Untergründige Angstspannung, permanentes Neu-Orientieren und Problemlösen ohne zu wissen, wann es genau endet, ruft Erschöpfungsgefühle hervor.
  • Immer weiter zu machen kann irgendwann in ein Burnout führen.
  • Was hilft, ist die eigenen Resilienzfähigkeiten zu stärken, Achtsamkeit und Innehalten.
  • Die Corona Situation kann auch eine Chance sein, die Prioritäten im eigenen Leben noch einmal zu überdenken und sich Fragen zu stellen nach Endlichkeit und Vergänglichkeit, die wir gerne verdrängen.
  • Ihnen Raum zu geben führt häufig dazu, dass wir Lebendigkeit auf ganz neue Art spüren.

Hast du Fragen? Möchtest du über deine Situation sprechen und eine Lösung finden? Melde dich gern!

Du hast dich wiedererkannt ? Sie brauchst weitere oder andere Unterstützung? Du hast Fragen oder Informationsbedarf? Dann melde dich gern an für ein 15 minütiges Info-Gespräch.
Dort kannst du mich persönlich kennen lernen. Wir können schauen, was genau in deiner Situation das richtige wäre.

Ich bin Mediatorin, zertifizierte Klärungshelferin und Supervisorin und helfe Ihnen gerne bei Ihrer Konfliktlösung.

Herzlichst

 

 Weiterlesen:

  1. https://kerstin-pletzer.de/stressbewaeltigung/
  2. https://kerstin-pletzer.de/fuehrungskraft-im-chaos-handlungsfaehig/

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