Unzufrieden mit dem letzten Gespräch? Resigniert nach der letzten Begegnung? Wieder in Fallen getappt, Dinge nicht gesagt, zu viel gesprochen, zu wenig erreicht? Schlimmer als vorher? Dabei hast du dein Bestes gegeben!

Kritisiere dich nicht. Ärgere dich nicht.

All das ist normal und menschlich. Gerade jetzt.

Selten war Kommunikation so anstrengend und schwierig wie in diesen Zeiten.

Es gibt so viel Meinung, Polarisierung und Emotionalität und so wenig Ruhe, Bedächtigkeit und Besonnenheit.

Wir ersehnen in der Kommunikation Frieden, Klarheit oder Orientierung und können diese oft selbst nicht geben.

Die Folge: Der Stress vervielfacht sich in alle Richtungen.

Kein Wunder, dass sich Themen zurzeit besonders schnell entzünden.

Auch ausgefeilte Kommunikationsmethoden oder Rhetoriktipps helfen da nicht viel weiter, weil sie oft mehr auf die äußere Handlungsebene abzielen.

Manchmal müssen wir uns mehr um unsere innere Seelenlage kümmern, diese mehr in den Blick nehmen und „nähren“.

Wo finden wir Nährendes für die Seele?

Zum Beispiel in der Natur, in der Spiritualität, in der Musik und in der Kunst.

In diesen Sphären ist Raum für alle menschlichen Grunderfahrungen, Gegensätze und Polaritäten. Und gleichzeitig ist dort eine Quelle für Erkenntnis und Wahrheit, an die wir mit unserem Denkvermögen nicht heranreichen.

Seelennahrung.

Der Auszug aus dem 1981 erschienenen dramatischen Gedicht Über die Dörfer von Peter Handke ist für mich eine solche Seelennahrung.

Auf der Handlungsebene geht es um einen Konflikt zwischen drei Geschwistern und dessen friedlicher Lösung. In der Tiefe aber berührt es alle Fragen menschlichen Seins, menschlicher Entwicklung und Selbstwerdung.

Ich kann die Zeilen immer und immer wieder lesen, atme sofort tiefer durch und fühle mich gestärkt. Jedes Mal entdecke ich darin andere Ideen und Sinnbezüge.

Ich möchte sie auch gar nicht weiter interpretieren oder erörtern, sondern einfach für sich stehen und wirken lassen.

Diesen Text verdanke ich übrigens der Künstlerin Gabriele Peters, auf deren Blog ich ihn gefunden habe.

Peter Handke: Über die Dörfer / Ein Gedicht

Spiele das Spiel.
Gefährde die Arbeit noch mehr.
Sei nicht die Hauptperson. 

Such die Gegenüberstellung. Aber sei absichtslos.
Vermeide die Hintergedanken.

Verschweige nichts.
Sei weich und stark.
Sei schlau, lass Dich ein und verachte den Sieg.


Beobachte nicht, prüfe nicht,
sondern bleib geistesgegenwärtig bereit für die Zeichen.


Sei erschütterbar.
Zeig deine Augen, wink die andern ins Tiefe,
sorge für den Raum und betrachte einen jeden in seinem Bild.


Entscheide nur begeistert.
Scheitere ruhig.
Vor allem hab‘ Zeit und nimm Umwege.
Lass dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub.
Überhör keinen Baum und kein Wasser.
Kehr ein, wo du Lust hast und gönn dir die Sonne.
Vergiss die Angehörigen, bestärke die Unbekannten, bück dich nach Nebensachen,
weich aus in die Menschenleere, pfeif auf das Schicksalsdrama,
missachte das Unglück,
zerlach den Konflikt.


Beweg dich in deinen Eigenfarben,
bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter süss wird.
Geh über die Dörfer. Ich folge dir nach.

Mich interessiert sehr

Wie geht es DIR, wenn du diese Zeilen liest?

Was ist deine Seelennahrung?

Was inspiriert dich?

Herzlichst

Bildnachweis:

Titel: photo-1451440063999-77a8b2960d2b @unsplash.com

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