Als Supervisorin erlebe ich, dass diese Zeiten gerade für Menschen mit Verantwortung sehr herausfordernd sind. Es sind vielfältige und komplexe Konstellationen, die von Entscheider*innen bewältigt werden müssen.
Zu diesem Thema war ich zu Gast bei meiner Supervisionskollegin Lioba Heinzler. Wir gehen der Frage nach, wie Führungskräfte im Chaos handlungsfähig bleiben, und geben 3 Tipps dazu.
Hier sehen Sie das ganze Gespräch.
“Mir geht die Luft aus… ” – “Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Monate schaffen soll….”
Solche und ähnliche Sätze höre ich derzeit im Coaching oft. Viele Führungskräfte Im Gesundheitswesen, im Sozialbereich aber auch in Unternehmen fühlen sich im Moment erschöpft und überlastet. Im Frühjahr hatten sie alle Ressourcen mobilisiert, um die Situation zu stemmen. In kurzer Zeit wurde viel umstrukturiert und auf die Beine gestellt. Das gemeinsame Anpacken hatte verbunden und geholfen die Probleme erfolgreich zu bewältigen.
Jetzt, ein paar Monate später, fühlt es sich anders an.
Der Sommer war nicht so erholsam, wie er hätte sein müssen. Manche sind enttäuscht, da sie gehofft hatten, dass die Krise geschafft sei. Jetzt sehen sie die nächste große Kraftanstrengung vor sich liegen. Sie sind weiter gefordert unter unsicheren Bedingungen ständig umzuplanen, anzupassen und neu zu entscheiden. Dazu kommt, dass wesentlich mehr Mitarbeitende als üblich durch Erkrankungen und Quarantänezeiten ausfallen. Es gibt weniger Gemeinsamkeit und mehr Einzelkämpfertum. Das alles ruft Gefühle von Stress, Überlastung und Erschöpfung hervor.
Stressreaktionen im Chaos sind menschlich. Wenn wir aber darin steckenbleiben, kann das aber zu blindem Aktionismus, einseitigen Entscheidungen und Konflikten führen. Das frisst kostbare Zeit und produziert noch mehr Chaos.
Das Problem: Stress setzt zwar kurzfristig Energie für schnelles Handeln frei. Langfristig sind die Kosten aber hoch. Gerade wenn es viel und unübersichtlich ist, müssen wir raus aus der Stresszone. Denn die eigenen Reaktionen auf Stress können einen sich selbst verstärkenden Kreislauf in Gang setzen. Sie führen zu innerer Anspannung, Rückzug, eingeengtem Blickwinkel, unzureichender Planung und oft auch blindem Aktionismus. Wichtige Aspekt werden übersehen. Es kommt zu Konflikten und letztlich noch mehr Chaos. Darüber hinaus hilft der Stressmodus nicht dabei, komplexe Probleme zu lösen. so wie sie sich in dieser Krise stellen. Denn dafür braucht es kreatives und schöpferisches Denken, innere Ruhe, Raum, Reflexion und Austausch.
Die Frage ist, wie es in der aktuellen Situation gelingen kann, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Tipp #1 Das Wichtigste: Selbstsicherung
Jeder, der schon schon einmal geflogen ist, kennt das standardmäßige Notfall-Briefing der Passagiere zu Flugbeginn. Erste Regel: Bei Sauerstoffabfall in der Kabine immer erst sich selbst sichern und dann die Menschen in der Umgebung! Was egoistisch anmuten mag, ist dennoch das einzig Sinnvolle, weil wir nur MIT Sauerstoff anderen eine Hilfe sind.
Wie bei einem Sauerstoffabfall ist es in anderen Krisensituationen auch: Wichtig ist immer, zuerst die eigene Handlungsfähigkeit zu sichern. Hier können wir viel von Berufen lernen, zu deren Alltag es gehört, in Notfällen einzugreifen wie die Feuerwehr, die Polizei oder die Notfallmedizin. Zu ihrer Ausbildung gehört es, zu trainieren, innerlich ruhig zu bleiben, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen, schnell zu klären, was in welcher Reihenfolge dran ist und das alles strukturiert, ruhig und sicher zu tun. Zusätzlich helfen dort professionelle Systeme und Handlungsschemata, auf die sie zurückgreifen, wenn es schnell gehen muss.
Es ist also möglich, diese Fähigkeiten zu trainieren und zu lernen!
Tipp #2 Sich mitten im Chaos entspannen können
Eine andere essentielle Fähigkeit ist die, sich mitten im Chaos entspannen und verlangsamen zu können. Unser innerlicher Reflex im Chaos ist meist das genaue Gegenteil: Wir geraten in Panik, wollen das Chaos “weg” haben und versuchen es durch Beschleunigung zu beseitigen. Aber gegen etwas innerlich anzugehen, das einfach da ist, ist wie ein Kampf gegen schlechtes Wetter: Es führt zu nichts und verausgabt nur.
Sich im Chaos zu entspannen heißt nicht, dass wir das Chaos gut finden müssen, oder dass es so bleiben soll. Es bedeutet vielmehr, nicht reflexhaft in einen Stresszustand zu geraten, sondern innerhalb des Chaos eine Ruheposition zu finden. Es bedeutet das Wackelige, Offene, Unklare und die eigenen Reaktionen darauf im Moment anzuerkennen, und gleichzeitig in der Lage zu sein, sich nicht davon mitreißen zu lassen. .
Tipp #3: Aktiv das Gespräch und den Austausch suchen und anbieten
Ein verbreiteter Reflex in Krisensituationen ist es, sich zu verschließen und zurückzuziehen und nur noch im „Ich-muss-da-jetzt-durch“-Modus vor sich hin zu arbeiten, da Gespräche vermeintlich Luxus sind. Das ist aber fatal, denn es verengt den Blick und führt dazu, rechts und links nichts mehr wahrzunehmen. „Ich-muss-da-jetzt-durch“ führt zu einsamen und damit auch einseitigen Entscheidungen und zu persönlicher Erschöpfung. Es ist daher wichtig, ganz bewusst und aktiv den Austausch zu suchen und zu bieten, mit Kolleg:innen, im Team oder auch mit einem Coach. Oder dem Team Gelegenheit dafür zu geben. Die investierte Zeit zahlt sich mehrfach aus, weil danach alles leichter geht.
Fazit
- Belastung ist kein unabänderliches Schicksal.
- Krisen- und Chaosmanagement bedeutet, der Tendenz widerstehen zu können, in fieberhaften und blinden Aktionismus zu verfallen.
- Es heißt zu lernen, die eigenen Stressreaktionen zu kontrollieren, die Nerven zu beruhigen, und dann reflektiert und planvoll vorzugehen.
- Das lässt sich trainieren und lernen.
Müssen auch Sie tagtäglich im „Chaos“ jonglieren? Wünschen Sie sich eine Möglichkeit, um in Ruhe sortieren und Entscheidungen vorbereiten zu können? Melden Sie sich gern!
Oder buchen Sie ein kostenloses Info-Gespräch. Im Gespräch kann ich Ihnen helfen, mehr Klarheit und Ruhe in Ihre Chaos- oder Krisensituation zu bringen. Und je klarer und ruhiger Sie sind, desto effizienter wird Ihr Tun und desto mehr Klarheit und Sicherheit bringen Sie in Ihre Umgebung. Es ist kostenfrei und ohne Verpflichtungen.
Ich bin Mediatorin, zertifizierte Klärungshelferin und Supervisorin und helfe Ihnen gerne dabei Ihre Themen zu lösen.
Herzlichst
Ja, Ihr beiden, danke sehr sehr… das Chaos annehmen, das kann ich gut nachvollziehen. Es ist – wie … in den Schmerz hineinzuatmen und dann zu spüren, wie er sich langsam auflöst. Hineinzugehen ist in diesem Fall – merkwürdiger Weise – die Chance, einen Schritt aus der Situation hinauszugehen; die Chance, die Metaebene zu erreichen und sich einen Überblick verschaffen zu können; sich zu öffnen für die Situation (Neocortex). Das braucht tatsächlich ein wenig Übung; Hinwendung transformiert den Fluchtreflex und erreicht eigentlich doch erst, was die Flucht erzielen will und versäumt. So komme ich an einen sicheren Ort. Darin steckt schon der Schlüssel zur Selbstsicherung. Das Wort hat mich ein wenig erschreckt, gebe ich zu. So kann ich es annehmen. Und tatsächlich pflanzt sich die innere Ruhe, die Haltung fort auf die Mitarbeiter; auch wenn gerade sie – in meinem engen Blick – das Chaos verusachen. Ich glaube, es ist wichtig, danach erst in Kontakt mit den Mitbetroffenen zu gehen. Und das vorher zu üben mit einem vertrauten Menschen, mit dem man sich über die Situation, das Chaos und die Gefühle, die es auslöst, austauscht, ist hilfreich – und vielleicht gar notwendig. Bei ihm kann ich vor-erfahren, wie es ist – und dass es geht – mich zu öffnen. Und er hilft mir dabei, die Ruhe im Chaos zu finden und schließlich zu sein. Das aber – und das scheint mir wichtig – darf ich nicht wollen, mir nicht als Ziel stecken und ebenfalls – wiederum – mit Druck verfolgen. Das Ziel setzt mich unter Druck. Ich glaube, wenn man Euren Weg geht, stellt sich das Ziel von allein ein. So ist jedenfalls meine Erfahrung. Schwieriger ist das schon auf der mittleren Managementebene, wo es zugleich gilt, im Chaos des Vorgesetzten zu „sein“… (Aus seiner Sicht bin vielleicht ich gerade das Chaos). Ich glaube, Augenhöhe ist hier eine wichtige Voraussetzung, ein Chaos nicht nur anzunehmen, sondern auch die darin gefundene Ruhe weitergeben zu können… Danke für Euren schönen Impuls – mir das bewusst zu machen; an diese Ressource – in uns Menschen – erinnert zu werden ist sehr hilfreich.
Hallo, Stefan,
vielen Dank für deine wertvolle Rückmeldung! Sie zeigt wunderbar, wie sich „in das Chaos hineinentspannen“ innerlich anfühlen kann. Und dass es nicht etwas ist, das man für ein und alle Mal „kann“, sondern ein Prozess, den wir immer wieder neu (er)finden.
Ja, es ist ein Paradox: Einerseits ist eine bewusste Intention notwendig, weil ohne sie der Stress-Reflex greift, und gleichzeitig das Loslassen, weil Druck einem „Hineinentspannen“ entgegensteht. Oft aber können ja gerade Widersprüche Quelle einer Entwicklung zu etwas völlig Neuem werden.
Sehr interessant ist dein Hinweis, dass wir im Arbeitsleben – und wahrscheinlich auch woanders – alle hin und wieder Chaos für andere sind. Augenhöhe ist auf jeden Fall eine gute Voraussetzung, um mit eigenem und fremdem Chaos gelassen und wertschätzend umgehen zu können.
Viele Grüße
Kerstin