Die Modelle und Konzepte von Teamarbeit sind nicht erst seit Corona sehr in Bewegung. Mit dem Akronym VUCA für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität werden seit den 1990er Jahren die Veränderungen in der Arbeitswelt beschrieben.
Als Antwort und Lösungsrichtung auf diese Herausforderungen wird oft ein anderes VUCA Modell vorgeschlagen: Vision (vision) , Verstehen (understanding), Klarheit (clarity) und Agilität (agility).
Ein Mega-Trend in der Arbeitswelt mit großer Anziehungskraft sind schon seit längerem New Work Konzepte. Der Begriff geht zurück auf den amerikanischen Sozialphilosophen Prof. Dr. Fritjof Bergmann. Im Kern geht es um ein Gegenmodell zum gängigen Lohnarbeitssystem und umfasst Werte wie Selbstorganisation, Selbstständigkeit, Partizipation und vernetztes Arbeiten. Ein ganz wesentliches Merkmal ist die Flexibilisierung auf allen Ebenen: Arbeitszeiten, Standorte, Denkmuster, Gewohnheiten und äußere Strukturen.
Neue Konzepte zur Teamarbeit wie Scrum oder Design Thinking als iterativer Lösungsansatz für komplexe Probleme wurden im Unternehmenskontext schon länger erprobt.
Dennoch gab es in der Unternehmens- und Organisationslandschaft weiterhin ein Nebeneinander von tradierten und New Work-Arbeitsformen.
Jetzt, ein Jahr nach Corona, ist alles anders.
Alle wurden in kurzer Zeit, und nicht immer gewollt, in eine Art „New Work-Arbeitsmodus“ katapultiert. Plötzlich wurden Dinge möglich oder möglich gemacht, die man sich vorher nicht hatte vorstellen können. Schritte wurden gegangen, die man vorher vielleicht sogar vehement abgelehnt hätte.
Mit der Unternehmermentorin und Supervisorin Lioba Heinzler habe ich ein Gespräch darüber geführt, wie sich diese Einflüsse derzeit auf die Teamlandschaft auswirken.
Im Video siehst du das vollständige Gespräch. Es dauert etwa 20 Minuten. Wenn dir Lesen lieber ist, findest du unten eine Zusammenfassung.
Hier geht es zum Video.
Teams, wie wir sie kennen.
Bis vor kurzem wäre die Antwort auf die Frage, was ein Team ist, ganz klar gewesen: Ein Team, hätte es geheißen, ist eine Gruppe von Fachleuten mit bestimmte Kompetenzen und Expertisen , die mit der Lösung bestimmter Aufgaben oder der Erreichung bestimmter Ziele beauftragt sind und sich nach bestimmten Regeln koordinieren. Sie arbeiten zusammen in einem Gebäude, in gemeinsamen Räumen oder Büros.
Sie haben regelmäßige Besprechungen oder Meetings, gemeinsame Teambuilding-Maßnahmen und Fortbildungen.
Die Teamleitung hat Vorbildfunktion, führt nach innen und vermittelt nach außen, ist zuständig für die Koordination aller Aufgaben, die Abstimmung von Regeln, die Gewährleistung der Kommunikation und das Moderieren von Konflikten.
An all das ist nicht außer Kraft. Es geht immer noch darum, wie eine Gruppe von Menschen sich koordiniert, wer wann und in welchen Punkten Führung übernimmt, wie die Aufgaben und die Menschen bestmöglich koordinierte werden und zusammen wirken können. Aber die konkrete Ausgestaltung und Variationen entwickeln sich gerade „live“ weiter.
Schauen wir einmal in die Praxis.
Teams jetzt: flexibler, virtueller, diverser.
Derzeit sehen wir viele Varianten von Zusammenarbeit im Team.
In fast allen Bereichen der Arbeitswelt gehört inzwischen das teilweise oder vollständige Arbeiten im Home-Office ganz selbstverständlich dazu. Fast jeder Berufstätige kennt virtuelle Meetings und hat bereits daran teilgenommen. Es gibt es mehr Selbstorganisation, weniger Kontrollmöglichkeiten, weniger Rückkopplung und schnellere Entscheidungen.
Auch in den Bereichen traditionell „enger“ Teamarbeit wie im Gesundheits- und Sozialsektor hat sich viel verändert. Themen wie Nähe und Distanz, Kontakt und Kommunikation wurden zur Disposition gestellt. Und auch hier mussten und müssen sich viele – nolens volens – mit digitalen Arbeitsweisen beschäftigen, was bis dahin weder üblich noch notwendig war.
In unseren Zusammenhängen erleben wir zur Zeit drei ganz unterschiedliche Team–Realitäten. Schauen wir sie uns einmal genauer an.
Team-Realität 1: Face-to-Face oder Hand-in-Hand. Mit Abstand.
Kliniken, Arztpraxen, Betreuungszentren, Produktions und Handwerksbetriebe, Kitas – hier arbeiten Beschäftigte zwar weiter in Präsenz und vor Ort, aber unter sehr veränderten Bedingungen.
Es gibt Modelle mit versetztem Schichtbeginn und versetzten Pausenzeiten. Es gibt Einbahnstraßen durch Gebäude und diverse Utensilien und Einbauten, die Abstand zwischen Personen schaffen.
Meetings und Teambesprechungen finden nicht mehr in gewohnter Form und an gewohnten Orten statt. Sie wurden verlagert, gekürzt oder zeitlich auseinander gezogen. Manche finden gar nicht oder nur noch selten statt.
In Sozialen und Medizinischen Arbeitsfeldern ergeben sich besondere Spannungsthemen:
- Hygiene– und Schutzkonzepte stehen oft im Widerspruch zu den professionellen fachlichen Standards. Ein häufige Frage ist zum Beispiel, wie professionelle Beziehungsarbeit unter Distanzbedingungen stattfinden kann.
- Es gibt Widersprüche zwischen Hygiene und Arbeitsschutz auf der einen und der Logik bestimmter Arbeitsabläufe auf der anderen Seite. So wird zum Beispiel beim Tragen einer FFP2 Maske arbeitsmedizinisch nach 75 Minuten eine dreißigminütige Pause empfohlen. Das ist in der konkreten Patienten- oder Klientenversorgung oft gar nicht möglich.
- Soziale und medizinische Arbeitsfelder haben oft eine ausgeprägte Nähe- und Kommunikationskultur. Bei einem eigentlich erhöhten Bedürfnis nach Austausch und Abstimmung ist genau das zur Zeit wenig möglich, was für Stressund Frustration sorgen kann.
In diesen Arbeitsbereichen wird nach unserer Recherche zur Zeit noch wenig auf virtuelle Kommunikationmöglichkeiten zurückgegriffen. Sie wird als fremd, technisch und ein bisschen absurd empfunden, oder, wie ein Teilnehmer an einer Online-Supervision es ausdrückte:
„Das ist doch komisch, jetzt sehen wir uns hier online, und gleich gehen wir aus der Tür und laufen uns im Flur über den Weg.“
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch bei tagtäglichem direkten Kontakt und in der Face-to Face- Arbeit die Corona bedingten Veränderungen einen Einfluss auf die Kommunikation, die Teambeziehungen und das Zusammengehörigkeitsgefühl haben.
Team-Realität 2: Team verstreut – Führung remote.
Remote Teams gab es auch schon vor der Coronakrise, allerdings nur in wenigen Arbeitsfeldern und auch nicht als ausschließliche Arbeitsform. Jetzt sind sie verbreitet wie nie zuvor. Es gibt Teams, deren Mitglieder sich im letzten Jahr fast nur virtuell gesehen haben. Ein Problem für das Arbeiten in verstreuten Teams ist es, wie Informationsverlusten entgegengewirkt werden kann.
Bei agilen Teammodellen sind regelmäßige Feedback-Schleifen, ritualisierte Meetings und gemeinsame Analysen sehr wichtig. Bei verstreuten Teams braucht es daher besonderen Augenmerk darauf, die asynchrone, zeitversetzte Kommunikation gut zu koordinieren und zusammenzuhalten.
Gerade wenn man sich nicht mehr direkt sieht und fühlt, stellen sich viele Fragen danach, wie die Teambeziehungen gepflegt werden können, die Teamdynamik im Blick und die Identifikation mit dem Team und dem Unternehmen erhalten bleibt.
Bei verstreuten Teams Konflikte wahrzunehmen und anzusprechen, ist ein weiterer Punkt, der auch für erfahrene Teamleitungen eine große Hürde sein kann.
Team-Realität 3: Hybride Arbeitsformen
Corona hat auch einen Schub in Richtung hybrider Arbeitsmodelle nach sich gezogen. Damit sind flexible Arbeitszeitgestaltungen und ein regelmäßiger Wechsel zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit gemeint. Auch dieses „gemischte“ Arbeiten bringt eigene Herausforderungen mit sich. Es kann kann zum Beispiel bedeuten, dass ein Teil der Mitarbeitenden im Büro ist, während ein anderer Teil zu Hause sitzt. Es kann dann Meetings geben in denen ein Teil vor Ort ist, und andere zu geschaltet werden.
All das kann eigene Herausforderungen und auch Probleme mit sich bringen.
Teammitglieder können sehr unterschiedliche Einstellungen zu dem Thema Homeoffice – Büro haben. Dabei geht es nicht nur um persönliche Vorlieben. Im Home-Office kann es schwierig sein, ein Gefühl für die eigene Leistung zu entwickeln, besonders wenn das nicht durch regelmäßiges Feedback aufgefangen wird. Manche beschäftigt auch, ob sie noch genug gesehen werden in ihren Fähigkeiten, oder haben Angst Aufstiegs- oder Karrierechancen zu verpassen.
Andere wiederum sehen im Home-Office vor allem ein Privileg, so ähnlich wie der Dienstwagen oder das berühmte „Eckbüro“. Das kann innere Fragen nach dem Wert und der Honorierung der eigenen Leistung, nach Gerechtigkeit und Konkurrenzgefühle aufbringen.
Teamleitungen brauchen ein Konzept, wie sie hybride Meetings so leiten, dass alle gut einbezogen sind, wie sie Einen guten Auftakt machen, die Kommunikation steuern, Gruppenarbeiten durchführen und die Sitzung abschließen können.
Hybrides Arbeiten kann Störungen auf der Beziehungsebene oder in der Teamdynamik auslösen. Themen wie: Privilegien, Einfluss und Status spielen in jedem Team eine Rolle. In der klassischen Arbeit vor Ort sind sie aber recht schnell spürbar und damit auch bearbeitbar.
Bei räumlicher und zeitlicher Entfernung kann es passieren, dass diese Themen einfach nicht sichtbar sind, obwohl sie Einzelne sehr beschäftigen und die Arbeit beeinflussen. Besonders schwierig ist es, wenn es insgesamt schon latente Konflikte gibt. Irritationen und Verunsicherungen verschärfen sich in dieser Situation eher. Das braucht daher eine bewusste Fehler- und Konfliktkultur, damit dieses nicht passiert.
Unterschiedliche Zukunftserwartungen bei Beschäftigten.
Unsere Wahrnehmung ist, dass Menschen ganz unterschiedlich zu den Veränderungen stehen. Die einen hoffen, dass bald alles vorbei ist und endlich wieder Normalität einkehrt. Andere sind begeistert von den neuen Errungenschaften und Gegebenheiten, und möchten die alten Arbeitsweisen nicht zurückhaben. Wieder andere sehen es pragmatisch, und wollen das mitnehmen, was sich bewährt hat.
Auch der LinkedIn-Berufstätigen-Stimmungsindex vom 27. Juli und 23. August 2020 beschäftigte sich mit der Frage, welche Veränderungen Beschäftigte in Zukunft erwarten. Sehr eindeutig war, dass die meisten davon ausgingen, dass die Arbeitswelt nicht mehr zur Präsenzarbeit zurückkehren würde. Auf der anderen Seite gab es aber auch viele Befürchtungen hinsichtlich negativer Folgen von Homeoffice und Telearbeit.
Zusammengefasst:
Teams sind derzeit vielen Sprengkräften ausgesetzt. Früher bildeten das tägliche Sehen, die räumliche Nähe, das Gespräch am Kaffeeautomaten, die vielen kleinen Gemeinsamkeiten des Alltags das soziale Bindemittel.
Jetzt zieht vieles ein Team auseinander: räumliche Distanz, Ungleichzeitigkeiten, selektierte Informationen, inhaltliche Komplexität und viele Widersprüche.
Das kann dazu führen, dass einzelne Teammitglieder abgehängt werden oder Konflikte entstehen und nicht bemerkt werden.
Um dem entgegen zu wirken, braucht es besondere Aufmerksamkeit auf das Verbinden, Vernetzen und Koordinieren, ein bewusstes Pflegen der Beziehungsebene und der teamdynamischen Ebene.
Genau das sind die klassischen Aufgaben von Führung und Teamleitung.
Herausforderungen für Führung und Teamleitung
Teams brauchen im Moment vor allem Verbindung, mit ihren Kolleginnen, ihren Aufgaben, dem Team-Spirit, ihren Leitungen. Dabei helfen ein transparenter, verlässlicher Rahmen und viele Austausch- und Kommunikationsmöglichkeiten auf formeller aber auch informeller Ebene.
Dazu gehört auch, den subjektiven und emotionalen Erfahrungen im Team Raum zu geben, und diese proaktiv zu thematisieren.
Besonders wenn es um die Rückkehr zur Normalität und um Zukunftsplanung geht, ist es wichtig, die Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen der Mitarbeitenden aufzunehmen. Sonst kann es passieren, dass nicht nur wertvolles Lernen liegen gelassen wird, sondern auch viel Frustration aufkommt .
Wenn es in eine gute Zukunft gehen soll, ist es wichtig, die Erfahrungen einzusammeln, anzuschauen, auszuwerten und daraus zu lernen. Und das vor allem gemeinsam zu tun.
Da das meist nicht von selbst passiert, braucht es Gesprächs – und Reflexionsimpulse von Führung und Teamleitung. Über diese Dinge zu sprechen, schafft kreativen Lernraum, setzt Ressourcen frei und beugt konflikthaften Prozessen im Team vor.
Fazit
Die Veränderungen im letzten Jahr haben viele hergebrachte Konzepte, Modelle und Vorstellungen von Team – und Zusammenarbeit durcheinander gewirbelt. Einerseits sind erstaunliche kreative Neuerungen in Gang gekommen. Andererseits gibt es auch mehr polare Unterschiede und Spannungen.
Führung und Teamleitung kann helfen durch Herstellen von Kommunikationsmöglichkeiten und Reflexion aus all den Erfahrungen zu lernen und die Menschen unterschiedlich mitzunehmen. Es ist eine Chance, neue und stimmige Formen der Zusammenarbeit zu finden, die sowohl das Team als auch das Unternehmen zukunftsfähig zu machen.
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Ich bin Mediatorin, zertifizierte Klärungshelferin und Supervisorin und helfe Ihnen gerne bei Ihrer Konfliktlösung.
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Herzlichst
Weiterlesen:
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