Ein Konflikt verschwindet selten von allein.

Seitdem ich Konflikt in der Arbeitswelt kläre, erstaunt es mich, wie lange Beteiligte abwarten und leiden, bevor sie sich Hilfe holen. Unabhängig von der Rolle und Funktion. Mitarbeitende warten sehr lange bevor sie sich an ihre zuständige Chefin oder den Chef wenden. Führungskräfte reagieren bei Konflikten im Team zaghaft oder erst sehr spät. Partner im Führungstandem nehmen Schwierigkeiten lange in Kauf, weil viel auf dem Spiel steht.

Unabhängig von der Ausgangssituation gelingt es im Arbeitsalltag häufig nicht, Konflikte direkt anzusprechen. Man wartet ab und hofft, dass die Irritation von selbst verschwindet. Was meistens nicht passiert. Eine Ursache dafür sind bestimmte, typische Denkmuster, die dafür sorgen, dass aus Missverständnissen und Irritationen Konflikte werden, unter der Decke weiter anwachsen und irgendwann richtig Schaden anrichten.

In diesem Artikel möchte ich fünf dieser Denkmuster beschreiben und Alternativen vorschlagen.

Mein Ziel ist es,

  1. zu zeigen, dass diese Denkweisen „normal“ sind,  dass sie aber nicht Ihre Handlungen leiten sollten. Denn je länger Sie warten umso schwieriger wird es,
  2. alternative Denkweisen anzubieten, die Sie eher zu einer Lösung führen,
  3. bewusst zu machen, dass gute Konfliktlösungen immer zwei Perspektiven umschließen: Die eine ist, ein Problem ansprechen und ausdrücken zu können und die andere, dieses Problem anhören, verstehen und ernst nehmen zu können.
  4. darauf hinzuweisen, dass es ab einem bestimmten Punkt der Eskalation auch notwendig sein kann, sich einen unabhängigen Dritten dazu zu holen.

Ein Tipp, bevor Sie weiterlesen …

Lassen Sie jeweils die Denkweisen auf sich wirken. Spüren Sie für einen Moment in Ihren Körper, in den Brust- und Bauchraum und nehmen Sie wahr, wie sich der jeweilige Satz innerlich auswirkt. Und machen Sie das Gleiche mit den hilfreichen Denkweisen. Sie werden interessante Veränderungen feststellen.

Steigen wir ein.

Inhaltsverzeichnis

Konflikt-Denkweise #1: Ich möchte mir keine Abfuhr abholen
Konflikt-Denkweise #2: Das ist alles peinlich
Konflikt-Denkweise #3: Was, wenn ich meine Fassung verliere?
Konflikt-Denkweise #4: Es gibt keine Lösung
Konflikt-Denkweise #5: Das müssen wir selbst schaffen.

Konflikt-Denkweise #1: Ich möchte mir keine Abfuhr abholen.

Dieser Gedanke verhindert sehr häufig, den ersten Schritt zu tun.

Auf den anderen zuzugehen, und ein Problem mit der Zusammenarbeit anzusprechen, birgt tatsächlich ein gewisses Risiko. Was, wenn der Andere süffisant lächelnd sagt: „Du hast ein Problem? Gut, dass du es endlich einsiehst …“ Damit geht der Konflikt erst richtig los.

Die Angst vor Abweisung und Demütigung muss erst einmal überwunden werden. Und die Annahme, dass es beim anderen als Schwäche ankommen und ihm weitere Munition liefern könnte. Natürlich kann das alles passieren. Weil im Konflikt sind nichts mehr neutral ist. Weil alle Beteiligten auf der Hut sind und jede Äußerung auf dem Hintergrund der Spannungen deuten.

Dennoch gibt es keine Alternative dazu, es zumindest einmal zu probieren.

Auch anders herum macht es Sinn: Wenn eine Kollege, eine Kollegin sich überwindet und um ein klärendes Gespräch bittet, sollten wir sie niemals abweisen, weder offen, noch durch Ironie, flapsige Bemerkungen oder gönnerhaftes Verhalten.

Es braucht Mut, das zu tun. Auch wenn wir selbst gar kein Problem haben: Wenn jemand eines mit uns hat, ist es wichtig, darüber zu sprechen. Und: Wir können nur lernen.


Hilfreiche Denkweisen:

  • Ich nehme die Reaktion nicht persönlich.
  • Ich vermittle meinen aufrichtigen Wunsch, dass sich etwas verbessern möge und vertraue darauf, dass meine Anfrage etwas bewirkt, wenn auch nicht sofort. 
  • Ich traue mich, um eine Klärung im Beisein eines unabhängigen Dritten zu bitten. 
  • Ich bin dankbar für offene und ehrliche Rückmeldungen und nehme sie als Lernchance.

Weil einer den ersten Schritt tun muss. Weil es sonst nur schlimmer wird. Weil es das Konfliktmuster unterbricht.

Konflikt-Denkweise #2: Das ist alles peinlich.

„Wie stehe ich da, was denken die anderen jetzt von mir, so etwas darf mir doch nicht passieren …“

Schamgefühle begleiten Konflikte sehr häufig. Es gibt dabei zwei Ebenen:

  1. Die Scham darüber, überhaupt in einen Konflikt geraten zu sein.
    Es fühlt sich an wie versagen, unfähig oder falsch sein: Wir haben uns doch gut verstanden.
    Was läuft denn falsch?
    Warum kann ich es, trotz aller Lebenserfahrung und Kompetenz, nicht lösen? 
  2. Die Scham über das eigene Verhalten im Konflikt: „Außer sich“ zu sein oder paralysiert, unfähig zu reagieren. verletzt, sprachlos, den Tränen nah oder verwirrt. Das Gefühl, sich eine Blöße gegeben zu haben vor dem Partner oder dem Team. Sich gezeigt zu haben, wie Sie es dem eigenen Selbstbild nicht entspricht. So möchte sich niemand fühlen.

Schamgefühle sind diffus, klebrig und sehr mächtig. Sie kratzen am Selbstwert. Indem wir uns zurückziehen, schützen wir ihn. Das schwächt aber unsere Kraft Stand zu halten und in die Auseinandersetzung zu gehen.

Daher ist es wichtig, darauf zu achten, wie über einen Konflikt gesprochen wird. Verdecken hilft nicht. Das Umfeld bekommt es sowieso mit. Es vermittelt sich atmosphärisch, in verschleppten Entscheidungen und gestörter Kommunikation. Besser ist es, Spannungen offen und gleichzeitig gelassen zu benennen und dafür zu sorgen, dass sie bearbeitet werden.


Hilfreiche Denkweisen:

  • Konflikte sind normal. 
  • Konflikte sind Teil unserer menschlichen Existenz.
  • Wenn nichts passiert, passiert auch sonst nichts. 

Konflikt-Denkweise #3:  Was, wenn ich meine Fassung verliere?

Wenn Sie diesen Gedanken haben, befinden Sie sich in einem Konflikt-Teufelskreis. Je länger Sie mit einer Klärung warten, desto mehr Konfliktstoff sammelt sich an. Der tägliche Kleinkrieg entzieht Ihnen wiederum Energie, die Sie für eine Aussprache brauchen. Kopf-In-Den-Sand-Stecken und Aushalten ist nur eine kurzfristige Lösung.

Ein typischer Teufelskreis: Vorwurf – Rückzug

Die Probleme bleiben. Der Ärger bleibt. Und macht empfindlich. Beim geringsten Anlass ist alles wieder auf dem Tisch, und jedes Mal wird es verzwickter.

Es ist nicht einfach, es zu wagen, diese Dynamik zu unterbrechen und einen ersten Schritt zu tun. Je länger sie schon besteht, desto schwieriger. Es bedeutet, sich in einer unsicheren, angespannten Situation zu outen, offen zu sagen,  ein Problem mit der Zusammenarbeit zu haben. Ohne die Sicherheit auf eine positive Reaktion des anderen.

Wenn sich beide so verschanzen, werden die Gräben immer tiefer, die Mauern immer höher.

Tatsächlich ist eine Aussprache umso schwieriger, je länger man damit wartet. Es ist aber das einzige, das möglich ist, wenn Sie nicht wollen, dass irgendwann das Leben für Sie entscheidet. Denn schwelende Dauerkonflikte haben immer Folgen. Für den Selbstwert, für den Geldbeutel und schlimmstenfalls sogar für die Gesundheit.

Es geht nicht anders. Einer muss den ersten Schritt tut und das bisherige Wechselspiel unterbrechen. Und einen Vorschlag machen, der in eine andere Richtung geht. Und dran bleiben. 

Und mit jedem Satz, der raus ist, wird auch der Druck, der befürchten lässt, die Fassung zu verlieren, kleiner. Und Emotionen dürfen erst einmal sein, wenn sie den anderen nicht verletzten. Bei sich selbst zu bleiben ist dabei wichtig.

Wenn der Konflikt allerdings so weit fortgeschritten ist, dass Sie sich immer wieder gegenseitig antriggern, kann externe Beratung sinnvoll sein. Mehr dazu unter Punkt 5.


Hilfreiche Denkweisen:

  • Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als Jetzt. Heute. Hier. 
  • Emotionen dürfen sein.
  • Es ist in Ordnung, wenn ich mir zur Selbstklärung Unterstützung hole.

Konflikt-Denkweise #4:  Es gibt keine Lösung.

Tatsächlich erscheint es im Konflikt oft so, als sei alles schon gedacht, versucht, besprochen. Als gebe es keine Lösung.

In einer längeren Konfliktgeschichte  haben beide Seiten fast immer mehrfach Versuche gestartet eine Verbesserung herbeizuführen. Typisch ist, dass in der angespannten Situation Lösungsversuche wechselseitig gar nicht erkannt oder sogar als Angriff erlebt werden.

So zum Beispiel, wenn einer ein Problem vorsichtig anspricht, nicht die erhoffte Reaktion erlebt und sich dann entmutigt zurückzieht. Was der Andere vielleicht als Desinteresse oder Beleidigtsein interpretiert. Oder ein anderer versucht das Problem über die Sachebene zu lösen. Was vom Gegenüber wiederum als Missachtung der Gefühle gedeutet werden kann.  Auch das sind  typische Teufelskreise: Auf auf beiden Seiten summieren sich Ärger und die scheinbare Bestätigung, dass es nicht zu klären ist. Und mit der Zeit wird der Tunnel immer enger.

Der Satz: Es gibt keine Lösung  spiegelt also nicht die Realität, sondern den Konflikttunnel: Die Wahrnehmung ist verengt und verstellt den Blick. Aus dieser Position heraus lässt sich nicht erkennen, was tatsächlich möglich ist. Lesen Sie hier mehr darüber, was im Konflikttunnel passiert.

Es geht nicht darum, schon vorher ein Ergebnis absehen zu können, sondern sich trotz der Sorge auf den Klärungsprozess einzulassen. 

Hilfreiche Denkweisen:

  • Der Weg geht hindurch, nicht drumherum. 
  • „I have to do it scared“ – ich tue es, auch wenn es mir Angst macht.
  • Es gibt immer eine Lösung. 
  • Ich schaffe Raum, in dem Lösungen sichtbar werden
  • Ich versuche offen zu sein für die Lösungsversuche des Anderen,

Konflikt-Denkweise #5:  Das muss ich selbst schaffen.

Wahlweise auch: Das müssen wir selbst schaffen.

Ja. Aber nur am Anfang.

Ist ein Konflikt bereits richtig eskaliert, ist das alles nur bedingt eine Hilfe. Auch wenn Sie gut ausgebildet sind, sich mit Kommunikation und Gesprächsführung auskennen, vielleicht sogar andere bei Konflikten beraten. Oft werden einfach nur die „Waffen“ ausgefeilter und raffinierter. Schamgefühle verstärken dieses Denken noch. Indem man immer weiter versucht, alles selbst in den Griff zu bekommen, muss man sich nicht beschämt und ohnmächtig fühlen. Das ist aber ein Trugschluss. Denn: Alles was wir tun, und wie wir den anderen wahrnehmen, steht und fällt mit der Art unserer Beziehung. 

  • Wie fühle ich mich gesehen und behandelt? 
  • Wie sicher fühle ich mich? 
  • Wie kann ich vertrauen? 
  • Wie offen kann ich sein?

Das alles ist in einem eskalierten Konflikt mehr als in Frage gestellt. Dann haben wir vermintes Gelände.  Jeder Satz, jedes Verhalten kann sich in eine Kampfansage verwandeln. Unabhängig davon, ob IHNEN das passiert, weil IHR Ärger  durchschlägt oder ob der ANDERE es so auffasst, weil SEIN Ärger durchschlägt.

Wie sieht es bei Ihnen aus?

  • Können Sie noch zuhören?
  • Fallen Sie sich gegenseitig ins Wort? 
  • Erhitzen sich Lautstärke und Sprechtempo jedes Mal mehr?

Dann kann es sein, dass Sie mit ihren eigenen Bordmitteln nicht mehr weiterkommen, so gut und wirkungsvoll sie in anderen Situationen auch sein mögen.  In diesem Fall kann externe Moderation Ihnen dabei helfen, sich frei auseinanderzusetzen, ohne permanent um die Gesprächshoheit ringen zu müssen.

Hilfreiche Denkweisen:

  • Es ist professionell, sich Hilfe zu holen. 
  • Es zeigt Kompetenz, sich Hilfe zu holen.

Zusammengefasst:

  • Diese fünf Denkweisen sind typisch, wenn man in einem Konflikt steckt.
  • Sie sind nicht die Realität, sondern Ausdruck von Konfliktstress und keine guten Ratgeber.
  • Sie führen dazu, dass wir nicht in unserer Kraft und Souveränität sind, und dass der Konflikt weiter bestehen bleibt oder sich verstärkt.
  • Es ist sinnvoll, sich diese Gedanken bewusst zu machen und sie als Hinweisgeber zu nehmen, die auf ein Problem aufmerksam machen.

Was Sie nun tun können:

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, stecken Sie möglicherweise gerade selbst in einem Konflikt. Es ist dienlich, Gedanken, die eine negative Schleife in Gang bringen, bewusst zu stoppen und sie durch hilfreiche Gedanken zu ersetzen.


Frage: Was ist in Ihrem Körper passiert, während Sie gelesen haben? Wo wurde es Ihnen schwer? Was fühlte sich leicht an?

Erfahrungsgemäß lassen uns die typischen Konflikt- Denkweisen innerlich einknicken. Sie nehmen uns Energie und Mut und machen einen flachen Atem. Wir verlieren damit von vorne herein die souveräne Position um unser Anliegen vorzubringen und dran zu bleiben.

Jeder Satz, der Sie innerlich ruhig, frei und selbstbewusst macht, kann Ihnen helfen, sich auf das Ansprechen eines schwierigen Themas gut vorzubereiten.

Wenn Sie betroffen sind und einen Ärger mit einer Kollegin oder einem Kollegen mit sich herum tragen, beschließen Sie diesen Zustand zu beenden. Bitten Sie die Person, um die es geht, um ein Gespräch.

Wenn schon viel passiert ist, kann es sinnvoll sein, sich zunächst Beratung zu holen, um sich zu sortieren und aus dieser Position heraus souverän eine Klärung initiieren zu können. 

Wenn Sie Führungskraft sind, und einen Konflikt im Team zwischen zwei Mitarbeitenden haben, leiten Sie ein Konfliktgespräch mit beiden ein. Wie das geht, erfahren Sie hier.

Ich freue mich über Ihre Erfahrungen, Kommentare oder Fragen.

Herzlichst

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Es sind keine Patentrezepte, aber wirksame Methoden und Perspektiven, die helfen Konfliktsituationen als zuständige Chef*in richtig anzugehen und aufzulösen.

Kommunikationstipps inclusive!

Weiterlesen:

  1. Warum Konflikte eskalieren und was man dagegen tun kann
  2. Konflikte lösen: Ein Blick hinter die Kulissen einer Mediation
  3. https://kerstin-pletzer.de/konfliktgespraech_fuehren/

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