Meine Kollegin schimpft ständig. Das zieht das ganze Team herunter.
So schilderte mir eine Klientin, Abteilungsleiterin in einem mittelständischen Unternehmen, ihre aktuelle Herausforderung. Ihre Stellvertreterin neige in Meetings zu pauschalen Rundumschlägen.
Die Folge: negative Stimmung, Unsicherheit im Team – und Frust bei ihr selbst.

Sie wusste, dass sie das ansprechen muss. Aber wie?

Sie fürchtete, zu hart zu klingen oder ihre Kollegin zu verletzen. Und gleichzeitig war da das Bedürfnis nach Klarheit und Veränderung. Denn sie schätzt ihre Stellvertreterin grundsätzlich sehr. Gerade deshalb wollte sie das Gespräch suchen – und nicht länger schweigen.

Solche Situationen sind typisch. Denn Kritik zu äußern, fällt vielen Menschen schwer – selbst erfahrenen Führungskräften.

Und: Kritik anzunehmen, ist auch nicht immer leicht. Tatsächlich hängt beides sogar eng zusammen.

Dahinter steckt oft ein grundlegendes Problem: Viele Menschen zögern, Kritik zu äußern, weil sie selbst nicht gern kritisiert werden. Sie hoffen, dass, wenn sie freundlich sind, andere ebenso handeln. Doch das ist ein Trugschluss. Wer Kritik vermeidet, riskiert, dass sich Probleme festsetzen und irgendwann in einer unkontrollierten Konfrontation entladen.

Lass uns heute beide Seiten anschauen:

  • Wie du Kritik so formulierst, dass dein Gegenüber sie hören kann.
  • Und wie du mit Kritik umgehen kannst, ohne dich persönlich angegriffen zu fühlen.

Warum Kritik oft ein heikles Thema ist

Viele Menschen zögern, Kritik zu äußern. Und das hat gute Gründe:

Kritik wird als Angriff empfunden

Wenn Kritik harsch, pauschal oder vor anderen geäußert wird, geht beim Gegenüber schnell die emotionale Schutzwand hoch. Statt Dialog entsteht Rückzug – oder Gegenangriff.

Wir verwechseln Kritik mit Ablehnung

Obwohl Kritik oft sachlich gemeint ist, kommt auf der anderen Seite an: „Du bist nicht gut genug.“ Der Selbstwert wird getriggert – besonders bei sensiblen Themen.

Aufgestaute Kritik trifft härter

Wenn wir Unzufriedenheit lange herunterschlucken, äußern wir sie irgendwann zu heftig oder ungeschickt. Das Gegenüber fühlt sich zu Recht überfahren. Und genau das wollten wir doch eigentlich vermeiden.


Kritikfähigkeit ist Beziehungspflege

Kritik ist kein Zeichen von Distanz – sondern von Interesse.
Wer sich die Mühe macht, etwas anzusprechen, zeigt: „Du bist mir nicht egal.“

Dazu gehört:

  • die Fähigkeit, Kritik so zu äußern, dass sie gehört und nicht abgewehrt wird.
  • die Fähigkeit, Kritik anzunehmen, ohne sich zu rechtfertigen oder zuzumachen.

Beides ist lernbar. Und beides verändert die Beziehung nachhaltig.


Wie du Kritik so äußerst, dass dein Gegenüber sie annehmen kann

Hier sind vier Prinzipien, die helfen, Klarheit zu schaffen – ohne zu verletzen:

1. Nimm die Emotion raus

Gereiztheit und Frust sind schlechte Berater. Wenn du innerlich angespannt bist, atme erst mal durch. Vielleicht hilft eine Nacht darüber schlafen. Du brauchst Klarheit – nicht Dramatik.

Statt innerlicher Dialoge: Es nervt mich, aber wie soll ich es ihr sagen …
Besser Gedanken, wie: Ich merke, dass es mich stört, und dass ich es gerne anders hätte. Ich sorge dafür, dass ich das in einer ruhigen Weise adressieren kann.

2. Beschreibe, was du wahrnimmst – und was du brauchst

Bleibe konkret und sachlich. Keine Bewertungen, keine Vorwürfe. Beschreibe, was du beobachtest, und was du dir wünschst.

zum Beispiel für unsere Abteilungsleiterin:

Statt: „Du bist immer so negativ!“
Besser: „Ich habe den Eindruck, dass du dir in unseren Meetings viel Raum nimmst, um deinen Frust auszudrücken. Manche Teammitglieder wirken danach verunsichert. Ich würde mir wünschen, dass wir den Fokus mehr auf Lösungen legen.

3. Trenne Verhalten und Person

Mach deutlich, dass du nicht die Person ablehnst, sondern ein Verhalten ansprichst. Das hilft, in Verbindung zu bleiben.

Beispiel: „Ich schätze deine Klarheit und Direktheit. Gleichzeitig habe ich beobachtet, dass die einen das als Einladung empfinden, mitzuschimpfen, und andere sich dann eher zurückziehen. Klar, es müssen auch mal kritische Dinge angesprochen werden, aber ich wünsche mir, dass wir einen Raum finden, in dem wir auch wieder den Bogen ins Konstruktive finden.

4. Sei konkret – und biete Alternativen an

Kritik, die keine Perspektive bietet, lähmt. Zeige, dass du an gemeinsamer Entwicklung interessiert bist.

Wie wäre es, wenn wir in Meetings einen strukturierten Feedback-Block einführen – mit Raum für unterschiedliche Perspektiven, aber in einem wertschätzenden Ton?“
Oder: „Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir als Führungsteam ein gutes Vorbild sein können, wenn es um Kommunikation geht.“


Und was, wenn du selbst kritisiert wirst?

Auch das ist ein Thema, mit dem viele kämpfen – oft im Stillen. Denn Kritik annehmen, ohne sich innerlich kleinzumachen oder aufzuregen, ist ebenfalls eine Kunst. Wenn wir frei genug sind, Kritik anzunehmen ohne Kränkung, haben wir auch viel mehr innere Freiheit, wenn es darum geht, bei anderen etwas anzusprechen. Dann müssen wir uns nicht mehr darum herumwinden, nichts mehr vermeiden oder bis zur Unkenntlichkeit abmildern..

Hier kommen vier Strategien, die helfen, mit Kritik souverän umzugehen:

1. Atme – und nimm dir Zeit

Wenn dich Kritik trifft: Reagiere nicht sofort. Ein kurzer Moment Pause hilft, die Emotion zu sortieren.

Ein einfaches: „Danke, ich denke darüber nach“ kann Wunder wirken.

2. Trenne Inhalt und Ton

Nicht jede Kritik ist gut verpackt. Manchmal trifft uns der Ton mehr als die Botschaft. Frag dich:

  • Was war der sachliche Kern?
  • Was davon ist für mich relevant?

So bleibst du innerlich stabil – auch wenn es außen ungemütlich wird.

3. Frag nach, wenn du unsicher bist

Du musst nicht alles schlucken. Wenn dich etwas irritiert oder trifft, darfst du nachhaken – freundlich, aber klar.

Kannst du mir sagen, was dich konkret stört?
Was genau wünschst du dir stattdessen von mir?“

So holst du dir Orientierung – und zeigst gleichzeitig, dass du bereit bist, zuzuhören.

4. Du entscheidest, was du annimmst

Nicht jede Kritik ist zutreffend. Und nicht jeder ist ein Maßstab. Prüfe für dich:

  • Passt das Bild, das hier gezeichnet wird?
  • Ist das jemand, dessen Meinung ich wirklich ernst nehme?

Kritik darf ein Spiegel sein – aber du entscheidest, ob du hineinschaust.


Fazit: Kritik ist keine Bedrohung – sondern eine Chance

Ob du Kritik gibst oder bekommst:
Es geht nicht darum, perfekt zu sein.
Es geht darum, in Verbindung zu bleiben.
Ehrlich. Klar. Wertschätzend.

Denn: Gute Kritik schafft Entwicklung – keine Distanz.
Sie zeigt: „Du bist mir wichtig. Deshalb spreche ich das an.“
Und: „Ich bin offen, von dir zu hören, wie du mich erlebst.“


Zum Mitnehmen – drei Fragen für dich:

  • Wann habe ich zuletzt etwas unausgesprochen gelassen – aus Angst, zu verletzen?
  • Wie möchte ich künftig Kritik formulieren – ehrlich und gleichzeitig wertschätzend?
  • Was hilft mir, Kritik anzuhören, ohne mich kleinzumachen?

Herzlichst

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Bildnachweis

Titel: Peopleimages.com-YuriArcurs

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