Homeoffice unter „besonderen Umständen“.
Viele finden sich im Moment wegen der Corona-bedingten Regelungen in einer Situation wieder, die sie sich vor einigen Wochen nicht hätten träumen lassen. Sie sind im Moment nicht nur selbst den ganzen Tag zu Hause, sondern auch der Partner, die Kinder oder die Mitbewohner. Ihr Leben, das sich bis vor kurzem noch auf viele Orte verteilt hat, findet nun überwiegend innerhalb der eigenen Wohnung statt. Es gibt weniger Rückzugsmöglichkeiten. Wer nicht gerade ein großes Haus mit Garten hat, wird vielleicht auch räumlich an seine Grenzen kommen,
Zusätzlich können Sorgen um die Familie, die Existenz oder die Gesundheit inneren Stress auslösen und einen idealen Boden für Konflikte bereiten.
Auch beruflich muss vieles improvisiert werden, weil nicht ausreichend Zeit ist, um einen tauglichen Arbeitsplatz einzurichten oder sich digitale Routinen anzueignen. Das Team ist verstreut, nicht mehr erreichbar wie gewohnt und braucht besonderen Halt. Es muss über Chat-Dienste, Tools und Video Konferenz aus Entfernung koordiniert und geführt werden.
Nebenan spielen die Kinder oder der Partner telefoniert, wenn Sie sich gerade konzentrieren müssen. Unterlagen liegen nicht mehr da, wo sie vorher waren.
All das sind herausfordernde Umstände für das Leben und Arbeiten, für die wir noch wenig Repertoire haben.
In der ersten Tagen lässt sich das noch einigermaßen gut bewältigen. Die Situation ist neu und am Anfang auch irgendwie spannend. Aber auf lange Sicht kann sie an den Nerven zerren und alle Beteiligten sehr unter Druck setzen: persönlich, in ihren Beziehungen und in den professionellen Rollen.
Konflikte lassen sich in dieser Situation weder zuhause noch mit dem Team komplett verhindern. Aber es ist möglich, ihnen vorzubeugen, indem Sie sich bewusst darauf einstellen, und schon bevor die Wellen hochschlagen, gemeinsam und proaktiv Lösungsstrategien überlegen.
Dazu habe ich Ihnen heute 5 Tipps zusammengestellt, die Ihnen dabei helfen können, Konflikten mit zusammenlebenden Erwachsenen oder mit dem Team vorzubeugen.
Inhalt
- Zurück aus der Zukunft
- Entwickeln Sie Regeln
- Die Listige Liste
- Die Codewort-Strategie
- Der Weg des Weisen
Zurück aus der Zukunft
Diese Übung eignet sich besonders gut, wenn Sie noch in der Phase sind, sich zu organisieren. Sie stammt aus der Tradition der lösungsorientierten Beratung. Ich mache die Übung normalerweise gerne mit Teams, die ein schwieriges Projekt vor sich haben, das wie ein Berg vor ihnen liegt, und wo es noch wenig Ideen für die Umsetzung gibt. Und damit eignet sie sich perfekt für die aktuelle Situation.
Nehmen Sie sich mit Ihrem Team, Ihrem Partner oder Ihren Mitbewohnern ein bisschen Zeit.
Stellen Sie sich dann vor, dass Sie jetzt einige Monate weiter sind, zum Beispiel im Herbst 2020. Alles liegt hinter Ihnen und Sie haben es erfolgreich und ganz wunderbar bewältigt.
- Wie sieht Ihre Situation im Herbst 2020 aus?
- Wie haben Sie“ rückblickend’ alles geschafft?
- Wie haben Sie die Tage strukturiert?
- Wie kam jeder zu seinen Bedürfnissen?
- Welche Schritte sind Sie gegangen?
- Wie sind Sie mit Spannungen umgegangen?
- Was hat geholfen?
- Was hat jeder dazu beigetragen?
Beschreiben Sie es ganz real, so als ob Sie sich selbst in einem Film sehen.
Tauschen Sie sich dann über Ihre „Filme“ aus. Sie werden überrascht sein, wie viele gute und unerwartete Ideen darin enthalten sind, die Sie nutzen können. Diese Methode funktioniert mit dem zurzeit verstreuten Team genauso wie mit dem Partner, der Partnerin oder mit der Wohngemeinschaft.
2. Entwickeln Sie Regeln und passen Sie diese flexibel an.
Wenn Sie bisher nicht zu Hause gearbeitet haben, muss jetzt viel improvisiert werden.
- Wie sind die Bedürfnisse eines jeden?
- Wer braucht welchen Platz?
- Wer hat welchen Rhythmus?
- Wer will zu welchen Zeiten arbeiten oder auch nicht?
- Wann muss unbedingt Ruhe sein?
- Wo können wichtige Dinge liegen bleiben oder untergebracht werden?
- Wann ist gemeinsame Freizeit?
Wichtig ist, sich jetzt abzustimmen, die Regeln aber im laufenden Tun immer wieder anzupassen. Für die einen reicht es festzulegen, sich am Morgen kurz zusammenzusetzen und den jeweiligen Tag zu planen. Für andere ist es wichtig, sich eine regelmäßige Tagesstruktur zu machen. Wenn Kinder im Haushalt sind, gibt es andere Bedürfnisse, als wenn sich ein berufstätiges Paar Home Office und Wohnung teilt.
Wenn Sie bis jetzt nicht zusammen gearbeitet haben, haben Sie wahrscheinlich unterschiedliche Rhythmen für Mahlzeiten oder Ruhezeiten. Geben Sie sich gegenseitig Raum und zwingen Sie dem anderen nicht Ihren Rhythmus auf.
Definieren Sie, wann Arbeitszeit und wann Freizeit ist. Es ist wichtig, Raum für erholsame und wohltuende Aktivitäten zu haben und miteinander über andere Dinge sprechen zu können. Eine gute Idee ist es zum Beispiel, zu sagen: „Ab 18 Uhr ist Freizeit. Wir kochen zusammen oder gehen spazieren„.
Auch mit dem virtuellen, ebenfalls vom Home-Office aus arbeitenden Team ist es wichtig, ein paar feste Meeting-Zeiten und Regeln festzulegen.
- Wann treffen Sie sich zu Videokonferenzen?
- Wie halten Sie Kontakt untereinander?
- Wie wird kommuniziert?
- Welche Kommunikationsregeln sind zu beachten bei schriftlichen Mitteilungen?
In jedem Fall ist es sinnvoll, in regelmäßig Abständen zu überprüfen, ob die Regeln für alle noch passen und sie gegebenenfalls abzuändern.
Hausarbeit
Je mehr Menschen in einem Haushalt sind, desto mehr Hausarbeit fällt an. Die üblichen Übereinkünfte, wer was im Haushalt übernimmt, funktionieren jetzt vermutlich nicht mehr. Haushaltsaufgaben bieten schon in normalen Zeiten reichlich Zündstoff, daher kann es in dieser neuen Situation besonders belastend sein, wenn es nicht gut funktioniert. Sprechen Sie bewusst und ausdrücklich über dieses Thema und treffen Sie Verabredungen, die für jeden machbar sind.
Kommunizieren während der “Arbeitszeit”
Wenn man plötzlich gemeinsam in der Wohnung ist, kann es verführerisch sein, während des eigenen Tuns dem anderen mal schnell etwas zuzurufen, oder mitzuteilen, einfach nur, weil er da ist. Das unterbricht den anderen aber jeweils in seinen eigenen Abläufen, und es ist gar nicht so einfach jedes Mal zu sagen: „Ich habe jetzt keine Zeit.“ Das kann den Stresspegel unnötig erhöhen.
Es kann daher sinnvoll sein in der jeweiligen Arbeitszeit möglichst wenig in Richtung Ihrer Partner oder Mitbewohner zu kommunizieren (abgesehen natürlich von Kindern), oder aber auch hierfür eine Regel zu entwickeln, die den Bedürfnissen aller entspricht.
3. Die Listige Liste
Dieses schöne Tool stammt aus der Paarberatung (Quelle: simplify) . Es beruht auf dem Prinzip: Was bereits auf den Tisch liegt oder ausgesprochen wurde, verursacht keinen Druck mehr. Machen Sie eine Liste von Punkten, in denen sie sich üblicherweise uneinig sind. Es reicht, diese Liste gemeinsam anzufertigen. Das allein hat schon etwas Befreiendes und es entschärft potenzielle Konfliktherde.
Eine andere Möglichkeit ist auch, alle bisherigen Konfliktsituationen aufzulisten, die Sie bis jetzt schon gemeinsam bewältigt haben. Machen Sie sich Ihre Stärken bewusst, die sich darin zeigen, und überlegen Sie, wie Sie Ihre Stärken jetzt noch mehr in die Waagschale legen können.
Am besten funktioniert das bevor sich Konfliktpotenzial aufbaut. Also, los geht’s …
Wichtig: Sollten Sie schon länger bestehende, ungelöste Konflikte haben, kann es passieren, dass diese Tools nicht funktionieren. Sie können aber gemeinsam eine Art „Waffenruhe“ für diese Themen beschließen oder, wenn es zu belastend wird, Online Paarberatung suchen. Melden Sie sich gern, ich helfe Ihnen bei der Suche.
4. Codewort Strategien
Bei allem wechselseitigen Bemühen kann es dennoch zu Uneinigkeiten im Alltag kommen. Diese zu unterdrücken ist nicht sinnvoll. Zum einen führt das letztlich nur dazu, dass die innere Spannung steigt und dann im ungeeignetsten Moment hervor bricht, zum anderen können in der gegensätzlichen Haltung auch wichtige Hinweise liegen, die gehört werden müssen.
Mit Uneinigkeiten möglichst stressarm umgehen
Variante 1
Vereinbaren Sie ein Code-Wort für die Botschaft: „Stopp, hier läuft etwas meiner Meinung nach in die falsche Richtung“. Ein schönes und kreatives Beispiel dafür gibt es von der Firma “Zapier”. Dort hat sich ein Team auf das Wort “Granatapfel” (pomegranate) geeinigt und sogar ein Emoji dafür kreiert. Jedes Mal, wenn jemand anzeigen will, dass seiner Meinung nach etwas aus dem Ruder läuft, oder er nicht einverstanden ist, sagt oder sendet er “Granatapfel”. Dieses Wort soll positiv sein, ein Lächeln auf die Lippen zaubern und ein Gespräch über einen kritischen Punkt vereinfachen.
Variante 2
Hierbei vereinbaren Sie ein Codewort für die Botschaft: „Stopp, aufhören, wir kühlen uns erst mal ab, und reden dann weiter“. Es kann einfach passieren, gerade weil alle im Moment verstärkt unter Druck kommen können, dass es nicht möglich ist die Gefühle herunter zu regulieren. Weiter zu machen führt aber nur zu weiterer Aufschaukelung. Da ist es sehr sinnvoll sich auf ein Codewort zu verpflichten, das Ganze zu unterbrechen und einen neuen Zeitpunkt zu vereinbaren. Das funktioniert auch mit der ganzen Familie. Auch da können Sie kreativ werden oder etwas nehmen, das schon gern in Ihrer Gemeinschaft verwendet wird.
Vielleicht haben Sie schon so einen Begriff. Sonst nehmen Sie etwas, das gut für Sie passt.
5. Witz und Humor
Zwei Menschen prallen im hektischen Treiben zusammen und stehen sich im nächsten Augenblick gegenüber. Sie schauen sich an. Zufälligerweise ist einer von ihnen ein weiser Mensch. Er ergreift das Wort: “Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder habe ich Sie gestoßen oder Sie mich. Sollte ich Sie gestoßen haben, will ich jetzt sofort in aller Form um Verzeihung bitten. Sollten hingegen Sie mich gerempelt haben – vergessen wir die Sache.”
(aus: Ed Watzke: Wahrscheinlich hat diese Geschichte gar nichts mit Ihnen zu tun…”)
Wahrlich eine geniale Auflösung einer klassischen Konfliktsituation (Zusammenprall) und mitHumor, Leichtigkeit und Witz.
Ein kluger und konstruktiver Umgang mit Konflikten:
- Sachlich benennen, was passiert ist,
- keinen Schuldigen suchen, keinen Vorwurf machen,
- nicht unterwürfig werden, selbstbewusst bleiben,
- eine elegante und humorvolle Wendung finden, die dem Ganzen die Schärfe nimmt.
- faire Lösungen finden, so dass beide ihr Gesicht wahren können.
Eine weitere Möglichkeit Eskalationen zu vermeiden ist es, sich auf das Positive und Gute im Verhalten des anderen zu fokussieren.
Wenn Ihr Partner Sie zum Beispiel nervt, weil er/sie nicht aufhört, Ihnen die neuesten Corona-News zuzurufen, während Sie versuchen, zu arbeiten, ist er auf der anderen Seite eine gute und verlässliche Informationsquelle für diese Themen.
Wenn es Sie aufbringt, weil ein Kollege zu viele Details in den Chat stellt, kann er auf den anderen Seite auch jemand sein, der diese Details für alle anderen klärt, die sich diese Fragen gar nicht stellen, und dann später nacharbeiten müssen.
Fazit
Im Moment sind wir alle herausgefordert, uns zu bemühen, mit unserem eigenen Stress weise umzugehen, bewusst und achtsam zu kommunizieren. Gute Erkenntnisse können aber im Alltag schnell wegrutschen. Mir helfen mir immer kleine optische Erinnerungshilfen zum Beispiel als Bild am Kühlschrank oder auf dem Schreibtisch.
Daher habe ich mir diese Karte gestaltet, die Sie sich gern als pdf herunterladen können. Sie ist absolut kostenlos. Sie müssen hierfür keine E-Mail Adresse eintragen. Ich freue mich aber, wenn Sie sich hier in meinen Newsletter eintragen, damit ich Sie verständigen kann, wenn es wieder interessante Informationen für Sie gibt.
Zusammengefasst:
- Die ungewohnte Homeoffice Situation in Kombination mit der Corona Krise und mangelnden Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen, birgt Konfliktpotenzial.
- Der beste Weg, diesem vorzubeugen, ist der bewusste und vorausschauende Umgang damit.
- Dazu gehört es, mögliche Konfliktthemen zu identifizieren und pro-aktiv Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.
- Sich-lassen, Leichtigkeit und Humor helfen.
Ihr nächster Schritt
Ich habe Ihnen gezeigt, was Sie tun können, um die nächste Zeit im Homeoffice ohne größere Konflikte gut zu bewältigen.
Was sind ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir gern in den Kommentaren.
Herzlichst
Weiterlesen:
- Warum Konflikte eskalieren und was man dagegen tun kann
- 5 Denkweisen, die im Konflikt nicht weiterhelfen
Ihre Situation liegt noch anders? Sie brauchen weitere oder andere Unterstützung? Dann melden Sie sich an für ein kostenloses Mini-Coaching Im Gespräch kann ich Ihnen helfen, mehr Klarheit über die Situation zu bekommen. Und je klarer Sie sind, desto besser können Sie Stressfaktoren ausschalten. Ich bin Mediatorin, zertifizierte Klärungshelferin und Supervisorin und helfe Ihnen gerne bei Ihrer Konfliktlösung.
Danke für den Rat zum Umgang mit Konflikten. Ich habe im Moment Probleme mit einigen Konflikten. Ich werde mich um Mediation und Konfliktlösung bemühen, damit ich meine Probleme überwinden kann.
Hallo, Herr Hussing,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung! Es freut mich, wenn mein Beitrag zu Ihrem Entschluss beigetragen haben sollte. Sich auf den Weg zu machen, ist schon der erste Schritt zur Lösung.
Viele Grüße von Kerstin Pletzer
Vielen Dank für diesen Beitrag über Konflikte im Homeoffice. Auch bei mir im Homeoffice haben sich einige Dinge geändert, weshalb sich auch Konflikte entwickelt haben. Ich werde mich mit Konfliktmediation auseinandersetzen, um für diese Konflikte eine Lösung zu finden. Interessante Idee, ein Codewort zu vereinbaren, um eine Situation zu deeskalieren, die sich zu sehr hochgeschaukelt hat.
Vielen Dank, Tyler Padleton, für die Rückmeldung! Es freut mich, dass die Codewort Strategie Ihnen gefällt. Sie setzt allerdings voraus, dass man sie gemeinsam vereinbaren kann, und das funktioniert oft erst, nachdem man die Dinge geklärt hat. Interessant wäre für Sie vielleicht auch einmal zu schauen, was genau sich geändert hat, im Home-Office, dass sich daraus Konflikte ergeben haben. Da liegt oft schon die Lösungsrichtung drin.
Viel Erfolg und herzliche Grüße
Kerstin Pletzer